Zu spät

um Dr. Benz noch mal zu treffen

Selten, dass ich hemmungslos weine. Aber Donnerstag, der 12. Oktober 2017, war so ein Tag.

Eine verrückte Woche war das. Montags hatte ich Stammzellen gespendet, und hatte noch während der Zug-Fahrt zum Spenden-Center den ersten Kranz den ich jemals für eine Beerdigung bestellte bei dem Blumengeschäft meines Vertrauens in Auftrag gegeben. Die Beerdigung war am 12. Oktober. Morgens am 12. hatte ich eine E-Mail erhalten, aus der ich – vielleicht auch aus der Beerdigungsstimmung heraus – fälschlich schloss, dass mir eine langjährige Freundin die Freundschaft kündigen wollte. Dann holte ich auf dem Weg zur Beerdigung den Kranz ab. Und die Beerdigung war gemessen daran, dass man Abschied nehmen muß ohne die Möglichkeit eines Wiedersehens zu haben, eine schöne Feier. Weil es ein wenig so war, als ob Hartmut noch einmal lebendig war. Die unbedingt schönere Feier mit Hartmut war seine Hochzeit mit Maren gewesen. Jetzt stand Maren mit den zwei erwachsenen Kindern und der ganzen Trauergesellschaft am Grab.

Der Leichenschmaus nach der Beerdigung half zwar die Verbindung zwischen eigenem Leib und eigener Seele zu erhalten – aber die Trauer nahm er doch nicht weg. Als ich dann wehmütig und traurig von der Beerdigung abends nach Hause kam, fand ich die folgende Karte in einem Brief im Briefkasten:

Ich glaube, Benz hat JEDE Freundin und JEDEN Freund mindestens einmal im Beiwagen seiner Gummi-Kuh mitgenommen…

Die Todesnachricht von meinem Freund “Dr. Benz”. Da war es mit meiner Fassung vorbei. Ich habe lange nicht so geweint.

Benz, mit dem wir in einer Vierer-WG beim Studium mehrere Jahre eine gute Zeit zusammen hatten. Benz, genauso alt wie ich, aus dem gleichen Geburtsjahrgang. Ich hatte mich doch so lange schon wieder einmal bei ihm melden wollen. Mein Schmerz war heftig.

HVÜ 1993 im Solling

Zuletzt persönlich getroffen habe ich Benz 2009 auf der Cebit. Er stellte dort aus für seine eigene Firma und wir erzählten. 5 Jahre nach der Hochzeit, zu der wir mit unseren drei Kindern eingeladen waren und mit seiner lieben Frau und den Freunden feierten.

Eine Erinnerung an eine andere Hochzeitsfeier, welche spontan vor meinem inneren Auge erschien: Wie unsere älteste Tochter ihr großes Lieblings-Kuscheltier an Benz weiter reichte: “Kannst Du das mal bitte festhalten?” – um selbst beide Hände frei zu haben für die Köstlichkeiten des Buffets. Benz nahm amüsiert den Plüsch-Esel – vom Kind “Pony” genannt – an sich und hielt ihn mit einem Lächeln beihnahe zärtlich und vorsichtig vor seinem Bauch, als ob er ein lebendiges Wesen sei.

Erinnerungen

Erinnerungen an die Studienzeit. An gemeinsame Mittagessen – als ich wegen gegründeter Familie aus der WG ausgezogen war, und Benz zu unserer Freude gerne spontan Einladungen zum Mittagessen annahm. Zum Rauchen ging er nach dem Essen immer auf den Balkon. Benz war unglaublich gutmütig und freundlich. Man mußte ihn mögen.

Lustig war seine Angewohnheit Spitznamen zu vergeben. Mich nannte er den “Genauigker”. Seinen Chef während seiner Promotion “Professor Schlaumeier” – gerne auch ohne das “Professor”. Die Promotionsfeier, auf der er sich über kein Geschenk mehr amüsierte, als das ironische Messing-Schild: “Trust me. I’m a doctor.”

Musik

Als offener und neugieriger Mensch mochte Benz natürlich auch Musik. Wir tauschten Musik. Auf der Suche nach Erinnerung mußte ich mir “Shake” von Zucchero anhören – ein Titel, der mich jedes mal an Benz erinnert. Das war ein Highlight auf der Promotionsfeier – ich weiß noch, wie Benz diesen Titel mochte und ich auch – und ich mir die CD anschließend besorgte.

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Abseits seines üblichen Pfads lag “Concerto for myself” von Gulda. Es ist ein Titel, den er von mir in seine Sammlung übernahm:

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Und mehr Musik. 1998. George Martins CD “In My Life”- in welcher der Produzent der Beatles einige Songs der Beatles neu einspielte. Auch der folgende Titel “In my Life” mit der Stimme von Sean Connery, erinnerte mich an Benz. Und beim Hören trieb es mir 2017 nochmal das Wasser in die Augen.

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Was ist mir wirklich wichtig? Steht es im Zentrum meines Lebens?

Lieber Benz, Dein viel zu früher Tod hat diese Frage noch einmal für mich aufgeworfen. Ein Teil meiner Antworten auf diese Fragen ist diese Website. Und ich würde so gerne noch einmal mit Dir reden. Dir erzählen, was im letzten Jahrzehnt in meinem Leben passiert ist, erfahren mögen, was in Deinem Leben wichtig war.

So ist es im Leben: Für manche Dinge ist es zu früh. Für andere genau die richige Zeit. Für wieder andere zu spät.

P.S.: Ich glaube, das folgende Stück hätte Dir gefallen: “Will you still be here?” – Ich spiel es jetzt noch einmal. Und denke “I wish, you were still here.”

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